Ein Skelett geht auf Reisen – Archäologischer Fund ruft Forschungskooperation auf den Plan

28.03.2025 Redaktion Kloster Dalheim

Minutiöse Arbeit: Behutsam sichern Beach und ihre Assistentin in zwei Metern Tiefe jeden einzelnen Knochen des vollständig erhaltenen Skeletts. (Foto: LWL/Buterus)

Bei der aktuellen Forschungsgrabung zum ehemaligen Nonnenkloster im Kloster Dalheim stießen die Archäologen auf ein mehr als 500 Jahre altes Skelett. Ein ähnlicher Fund aus Dalheim sorgte bereits 2018 international für Furore. Eine institutsübergreifende Kooperation zwischen der LWL-Archäologie für Westfalen und dem Institut für Archäologie und Kulturanthropologie der Universität Bonn widmet sich nun der Untersuchung des jüngsten Fundes.

Mit dabei ist auch die renommierte amerikanische Professorin für mittelalterliche Geschichte und Expertin für das Leben religiöser Frauen im Mittelalter Alison Beach, die bereits vor sieben Jahren an den Untersuchungen des sogenannten „Lapislazuli-Zahns“ aus dem Kloster Dalheim beteiligt war. Museumsdirektor Dr. Ingo Grabowsky sieht die Forschungsarbeiten am LWL-Landesmuseum für Klosterkultur als große Chance:

„Die aktuelle Ausgrabung ist nicht nur eine Zusammenarbeit unterschiedlicher Fachbereiche und Institutionen. Sie zeigt vor allem, dass die Geschichte des Klosters Dalheim noch lange nicht zu Ende geschrieben ist.“

Der Dalheimer „Laspislazuli-Zahn“
Die aktuelle Grabung hat eine interessante Vorgeschichte: 2018 wies ein Forscherteam der Universitäten Zürich und York sowie des Max-Planck-Instituts für Geoanthropologie Jena (ehemals Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte) im Zahnstein eines anderen in Dalheim gefundenen menschlichen Skeletts blaue Ultramarinpigmente nach. Dabei handelte es sich um eine Frau, die um 1000 bis 1200 nach Christus lebte und auf dem Friedhof an der Pfarr- und späteren Klosterkirche St. Petri in Dalheim begraben wurde. Der kostbare, aus Lapislazuli gewonnene Farbstoff wurde zu dieser Zeit ausschließlich zur Illustration wertvoller Handschriften verwendet. Der Fund sorgte für Aufsehen, da er vielen Wissenschaftlern als ein direkter Beleg dafür galt, dass auch Frauen im Mittelalter an der Herstellung illustrierter Manuskripte beteiligt waren. Das untersuchte Skelett war bereits 1989 im Rahmen einer Ausgrabung nahe der alten Dalheimer Klosterkirche geborgen worden.

Blick von oben: Die aktuelle Ausgrabung neben der ehemaligen Klosterkirche St. Petri auf dem Gelände des heutigen LWL-Landesmuseums für Klosterkultur. (Foto: LWL-Archäologie/Rudolf Klostermann)

Wiederaufnahme der Ausgrabung

„Der spektakuläre Pigment-Fund hat die LWL-Archäologie für Westfalen dazu veranlasst, das Areal um die Kirchenruine erneut und genauer in den Blick zu nehmen“, berichtet Prof. Dr. Michael M. Rind, Direktor der LWL-Archäologie für Westfalen.

„Die 1989 durchgeführte Ausgrabung, bei der das Skelett mit dem besagten Zahn gefunden wurde, widmete sich Teilen des Friedhofs und legte die Überreste der Kirche frei. Die Bauten der mittelalterlichen Nonnenklausur wurden damals nicht untersucht“, ergänzt Grabungsleiter Wolfram Essling-Wintzer.

Ein Stück Dalheimer Geschichte: Die amerikanische Professorin Alison Beach forscht in Schottland zum Leben religiöser Frauen im Mittelalter. Nun kam sie in das westfälische Kloster Dalheim, um ein über 500 Jahre altes Skelett zu bergen. (Foto: LWL/Buterus)

Skelettfund in zwei Metern Tiefe
Im Juni 2024 begann die LWL-Archäologie auf dem Gelände des heutigen LWL-Landesmuseums für Klosterkultur zwei Felder südlich der Kirchenruine freizulegen, in der Hoffnung, Überreste des Nonnenkonvents aus dem 12. Jahrhundert zu finden. Zuvor hatte eine Georadar-Messung vielversprechende Strukturen erkennen lassen, die der Klausur des alten Nonnenklosters zugeordnet werden konnten. Im Zuge der ersten Baggerarbeiten stießen die Archäolog auf dem Gebiet des ehemaligen Friedhofs in zwei Metern Tiefe auf ein rund 500 Jahre altes menschliches Skelett.

„Den darüber liegenden Auffüllungen nach zu urteilen, wurde das Grab spätestens im 15. Jahrhundert angelegt“, erläutert Peter Hessel von der LWL-Archäologie.

Die Archäologen verständigten Prof. Dr. Alison Beach, die gemeinsam mit der Doktorandin Sally Mubarak nach Dalheim anreiste, um das Skelett zu bergen. Einen ganzen Tag lösten die beiden Frauen in minutiöser Arbeit die Gebeine vorsichtig aus der Erde und sicherten sie in Fundtüten und Kartons für den Transport zum Bonn Center for ArchaeoSciences (BoCAS).

Kooperation ermöglicht modernste Untersuchungen
Dank der Kooperation zwischen der LWL-Archäologie und dem Institut für Archäologie und Kulturanthropologie der Universität Bonn kann das Dalheimer Skelett in dem 2022 gegründeten BoCAS nun mit modernsten Methoden erforscht werden.

„Die Knochen werden gereinigt, dokumentiert und für weitere Laboruntersuchungen präpariert“, erläutert Alison Beach, die an der Universität St Andrews (Schottland) und der Universität Bonn lehrt.

Dazu zählen eine DNA-Analyse und eine Radiokarbon-Messung, die Auskunft über das Geschlecht, vererbbare Krankheiten und den Zeitpunkt der Bestattung geben können. Mittels Isotopenuntersuchung erhofft man sich Hinweise zur Herkunft der Person.

„Im besten Fall gewinnen wir neue Erkenntnisse zu den Ursprüngen klösterlichen Lebens hier am Ort“, erhofft sich Beach.

Die Grabungsarbeiten werden im kommenden Frühjahr fortgesetzt. Museumsgäste haben dann wieder die Möglichkeit, den Archäologen bei der Arbeit über die Schulter zu schauen. An Veranstaltungstagen werden zusätzliche Führungen an der Grabungsstätte angeboten.

Hintergrund
Das Dalheimer Nonnenkloster wurde vermutlich bereits im späten 11. / frühen 12. Jahrhundert an der kleinen Pfarrkirche des Ortes Dalheim gegründet. Der Konvent hatte nicht lange Bestand und wurde um 1380 aufgegeben. 1429 ging der Besitz an die Augustiner-Chorherren, die die Bauten nutzten, bevor sie 1452 mit dem Bau einer größeren Klosteranlage – des heutigen Klosters Dalheim – begannen.

„Die bisherigen Ergebnisse der Forschungsgrabung sind vielversprechend“, erklärt LWL-Chefarchäologe Rind.

Er ist zuversichtlich, dass eine Rekonstruktion des Grundrisses der ehemaligen Klosterbauten gelingt. Es gäbe sogar erste Hinweise auf Baustrukturen, die noch aus der Zeit vor der Klostergründung stammten und von einem örtlichen Adelsgeschlecht errichtet worden sein könnten.

Erfolgreiche Kooperation: Prof. Alison Beach (Universität Bonn), Sally Mubarak (Universität St Andrews, Schottland) und Peter Hessel (LWL-Archäologie) erhoffen sich vom jüngsten Dalheimer Skelett-Fund neue Erkenntnisse zum mittelalterlichen Dalheimer Nonnenkonvent. (Foto: LWL/ Buterus)

Quellen:

Pieper 2003

Roland Pieper: Dalhei. Pfarrort, Kloster, Staatsdomäne, Münster 2003

 

Websites:

https://www.lwl-archaeologie.de/de/blog/das-nonnenkloster-im-piepenbachtal-neue-forschungen-am-kloster-dalheim/

https://www.shh.mpg.de/1161977/lapis-warinner

https://www.deutschlandfunk.de/zahnstein-forschung-was-die-zaehne-einer-nonne-aus-dem-100.html