Je strenger die Vorschrift, desto kreativer ihre Deutung? Ordensregeln, wie die des Augustinus von Hippo (354-430) oder des Benedikt von Nursia (480-547) bestimmen seit jeher das Klosterleben, lehren Demut und Verzicht und beflügelten schon früh die Kreativität hungriger Ordensleute.
Biber, Bier und Schokolade – Fasten und seine Ausnahmen
Tarnen und Täuschen
Ob Kuh oder Schwein – der Verzehr vierfüßiger Tiere ist laut der Benediktregel (Kap. 39) in der Fastenzeit grundsätzlich verboten. Und das gilt für über 150 Tage im Jahr. Findige Klosterköche sollen daher in der italienischen Region Emilia-Romagna bestes Schweinefleisch im Mörser sorgfältig püriert und mit Myrtenbeeren vermengt haben – die Mortadella war erfunden und die Hoffnung groß, dass der liebe Gott die Speise nicht als Fleisch demaskierte.
Ganz ähnlich wurde, der Legende nach, die Maultasche entwickelt: Um das Verbot der Benediktregel zu umgehen, sollen die Küchenmeister im Kloster Maulbronn ihr Fleisch klein gehackt und im Inneren einer Teigtasche versteckt haben. Im Volksmund wird die Maultasche daher heute noch auch „Herrgottsb’scheißerle“ genannt.
Strengere Klosterköche, die bemüht waren, sich an die Fastenregeln zu halten, pürierten immerhin ihren Fisch und formten daraus falsche Fleischspeisen, wie Hasenbraten oder Rehrücken. Das Auge isst schließlich mit.
Huhn und Biber – weder Fisch noch Fleisch?
Die fleischlosen Fastentage machten sich die meisten Ordensgemeinschaften mit einer großen Auswahl an Fisch erträglich. Für das Kloster Dalheim ist eine umfangreiche Zucht belegt und auch andere Wassertiere, wie der Edelkrebs und importierte Austern sind in den Schriftquellen festgehalten.
Ist vierfüßiges Getier verboten, findet der Verzehr von Geflügel in der Benediktsregel erst gar keine Erwähnung. Eine Lücke, die sich mancher Konvent zunutze machte. Schon der Abt des Klosters Fulda, Hrabaus Maurus (780–856), wählte im 9. Jahrhundert – zugunsten des klösterlichen Speiseplans – eine eigenwillige Auslegung der Schöpfungsgeschichte: Da gemäß Genesis 1,21 Vögel und Fische am selben Tag geschaffen wurden, galt ihm auch das Geflügel als Fisch und kam somit zur Fastenzeit auf den Teller.
Noch weiter gingen spätere Interpretationen: So wurden sogar Tiere, die sich oft im Wasser aufhielten, wie der Biber und der Fischotter, kurzerhand zu Fischen erklärt und landeten im Kochtopf.
Flüssiges bricht das Fasten nicht
Dieser Grundsatz war unstrittig – zumindest, wenn es aus Pflanzen hergestellt wurde. Aber gilt er auch bei Kakao? Generationen von Päpsten waren anderer Meinung. Erst Papst Pius V. (1504–1572) erlaubte den Ordensleuten ihre Schokolade im Jahr 1569, nachdem er diese selbst nach traditioneller Herstellung (kalt angerührt und stark gewürzt) probiert und nicht als Gaumenfreude empfunden hatte. Später wurde auch feste Schokolade hergestellt und als Heilmittel verkauft.
Und was ist mit Bier? Bis zu fünf Liter waren jedem Ordensmitglied in der Fastenzeit erlaubt – pro Tag! Mancher Klosterbewohner soll sich mit Starkbier durch die Fastenzeit geholfen haben.
Literatur
- Susanne Fritsch: Das Refektorium im Jahreskreis. Norm und Praxis des Essens in Klöstern des 14. Jahrhunderts, München 2008.
- Norman Foster: Schlemmen hinter Klostermauern. Die unbekannten Quellen europäischer Kochkunst. Mit 111 Rezepten aus der Klosterküche, Hamburg 2000.
- Marc Meneau/Annie Caen: Schlemmereien aus der Klosterküche. 120 raffinierte Rezepte einst und heute, Paris 1999.