Leonardo da Vincis (1452 – 1519) letztes Abendmahl war schon während seiner Entstehung (ab 1495) ein regelrechter Besuchermagnet und inspiriert bis heute Maler, Regisseure und Fotografen. Doch verlor das 9,04 × 4,6 Meter große Wandbild im Refektorium des Klosters Santa Maria delle Grazie in Mailand schnell an Farbkraft und Kontur. Nur wenige Jahrzehnte nach seiner Fertigstellung bezeichnete der berühmte Künstlerbiograph Giorgio Vasari das Werk als „verblassten Fleck“. Anlässlich unserer Sonderausstellung „Leonardo da Vinci. Das letzte Abendmahl“ (22.5.2021 – 02.01.2022) werfen wir einen genaueren Blick auf Leonardos Farbpalette, die über Jahrhunderte Restauratoren und Kunsthistoriker beschäftigen sollte.
Von Farbe & Vergänglichkeit
Fresco oder Fiasco?
Ob Höhlenmalerei oder Graffiti: Wandmalereien gibt es in verschiedensten Formen. Einige der haltbarsten Werke sind in der Fresko-Technik (italienisch „a fresco“; zu Deutsch „ins Frische“) gefertigt. Dabei werden Farbpigmente auf den noch feuchten Kalkputz aufgetragen. Beim Trocknen bindet der Kalk die Farbpigmente und macht sie sehr haltbar.
Verständlich, dass ein solches Gemälde nur unter genauester Planung und unter Zeitdruck entstehen kann, denn Putz trocknet schnell. Tag für Tag wird Kalk angerührt und ein kleiner Bildausschnitt vollendet, ein sogenanntes „Tagewerk“. Ein großformatiges Werk benötigt präzise Vorarbeit und eine durchdachte Komposition, denn ist der Putz erst trocken, kann nichts mehr korrigiert werden.
Leonardo experimentierte beim letzten Abendmahl hingegen mit einer Secco-Technik (italienisch „a secco“; zu Deutsch „aufs Trockene“). Er grundierte die Wand mit einem Leim-Kreide-Gemisch und malte mit einer fetten Temperafarbe aus Farbpigmenten und Eigelb auf die trockene Fläche. Diese Technik ermöglichte Übermalungen, Malpausen und Flexibilität, hatte aber einen ungeahnten Nachteil: Die Farbe hielt nicht lange auf der Grundierung und diese nicht auf dem Mauerwerk. Bereits 1517 wurde über erste Schäden am Gemälde berichtet. Feuchtigkeit und Schimmel taten ihr Übriges – die Farbschicht wurde brüchig und blätterte ab.
Verschlimmbesserung
Etliche Restaurierungsversuche – seit Anfang des 18. Jahrhunderts etwa alle 50 Jahre - waren die Folge. Diverse „Spezialmittel“ aus dubiosen Materialien waren im Einsatz, und einen nachhaltigen Verlust verursachte das Herausschneiden der Türöffnung in der unteren Bildmitte, dem die Beine Christi zum Opfer fielen. Selbst vor tierischen Ausdünstungen war das letzte Abendmahl nicht gefeit: 1799 wurde das Refektorium von napoleonischen Truppen als Baracke und Stall genutzt. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Werk hingegen – wie durch ein Wunder – ohne größere Schäden, obwohl ein Bombenangriff 1943 das Gebäude stark beschädigte.
Erst zwischen 1977 und 1999 konnte der fortschreitende Verfall aufgehalten werden. Die gut gemeinten, aber schädlichen Wundermittel, Öle und Lacke wurden aufwendig entfernt. Zahlreiche Details wurden wieder sichtbar und die Leuchtkraft der Farben kam – wenn auch nur partiell – wieder zum Vorschein. Heute zählt das letzte Abendmahl zum UNESCO-Weltkulturerbe. Besucherscharen aus aller Welt strömen ins Refektorium des Klosters Santa Maria delle Grazie in Mailand, um das berühmte Wandbild zu bestaunen, wenn auch in gedämpftem Licht, gefilterter Luft und nur für 15 Minuten – länger ist der Aufenthalt in dem Raum nicht gestattet.
Quellen:
- Stiftung Kloster Dalheim. LWL-Landesmuseum für Klosterkultur, Ingo Grabowsky [Hrsg.]: „Leonardo da Vinci: Das letzte Abendmahl. Begleitheft zur Sonderausstellung der Stiftung Kloster Dalheim. LWL-Landesmuseum für Klosterkultur vom 11. Mai bis 21. November 2021, Lichtenau-Dalheim, 2021.
- Johannes Nathan, Frank Zöllner: „Leonardo da Vinci. Sämtliche Gemälde und Zeichnungen.“ Bd. 1, Köln, 2011.