Einst wurden hier Fisch und Fleisch geräuchert, und auch heute hängen hier alte Schinken – jetzt aber weniger nahrhafte, dafür (kunst-)historisch wertvolle Exemplare. In der Dalheimer Räucherkammer zeigt das Museum heute maßgebliche Schaustücke aus der Geschichte des Klosters, die nach seiner Auflösung verblieben sind, z.B. die beiden Vogelschaugemälde, einen Becher mit dem Dalheimer Klosterwappen von 1695 oder wertvolle Profess-Urkunden. Dabei ist die Räucherkammer selbst auch ein bedeutsames Exponat aus der Dalheimer Geschichte mit einer bewegten (Bau)-Historie.
Von Zierfassade und Feinkost – Die Dalheimer Räucherkammer
Umgestaltung der Klosteranlage zur Zeit des Barock
Der rund 70 Quadratmeter große Raum befindet sich in einem Zwischengeschoss im Westflügel der Kernanlage, in dem sich heute auch der Zugang zum Museum befindet. Eingeschoben zwischen der jetzigen wissenschaftlichen Bibliothek des Museums und dem mittelalterlichen Kreuzgang ist das ca. 3,70 Meter hohe Zwischengeschoss im Zuge der barocken Umgestaltung des ursprünglich mittelalterlichen Gebäudeteils entstanden.
Um seinen Machtanspruch zu demonstrieren, beschloss Prior Barthold Schonlau (Amtszeit 1708-1730) in den 20er Jahren des 18. Jahrhunderts, dem klösterlichen Hof die Anmutung eines barocken Schlosses zu geben. Dafür ließ der Klostervorsteher aufseiten des Ehrenhofs eine prächtige Schaufassade errichten, die sich zwecks einheitlichen Eindrucks in ihrer Gestaltung an den Maßen des Süd- und des einige Jahre zuvor errichteten Nordflügels (Gästeflügel und Prälatur) des Hofes orientierte.
Weil aber das mehr als sechs Meter hohe Erdgeschoss der barocken Fassade viel höher abschloss als der mittelalterliche Kreuzgang, kam es zu einer erheblichen Umgestaltung des Innenbereichs im Westflügel. Im vorderen Teil des Erdgeschosses in Richtung Fassade entstand ein 6,20 Meter hoher Raum (das heutige Museumsfoyer). Im hinteren Bereich des Erdgeschosses lag der niedrigere Kreuzgang. Über ihm wurde dann das Zwischengeschoss mit der späteren Räucherkammer eingerichtet. Bis heute weist die Westfassade deshalb von der Kreuzhofseite drei, von der Ehrenhofseite aber nur zwei Fensterreihen auf.
Über die klösterliche Nutzung des Zwischengeschosses ist, wie über das gesamte Obergeschoss des Westflügels in dieser Zeit, nur wenig bekannt. In seiner Monographie zur Dalheimer Klosteranlage vermutet der Kunsthistoriker und Bauforscher Roland Pieper (*1961), dass dort die Novizen des Klosters wohnten.
Nach der Säkularisation: Nutzung als Räucherkammer
Nach der Auflösung des Klosters 1803 wurde es als preußischer Staatsbesitz landwirtschaftlich genutzt. In der Zeit als Staatsdomäne wurde der Raum schließlich zur noch heute so bezeichneten Räucherkammer. Hier konservierten die Pächter Fisch und Fleisch durch heißen Rauch. Da in der späten Domänenzeit der im Erdgeschoss gelegene Ofen in der Mitte des Westflügels nicht mehr in Betrieb war, wurde der Rauch in der im ersten Stock über dem Kreuzgang liegenden Kammer in einer dicken Eisenschale erzeugt. Ein im Küchenherd glühend erhitztes Eisenstück brachte darin Buchensägemehl zum Glimmen. Die dunklen Wände der Räucherkammer zeigen bis heute die eindeutigen Spuren dieser Nutzung.
Gleichzeitig diente der Raum als Lager: Der südliche, längere Teil des Raumes war verdunkelt, denn einige Fenster wurden nach einem großen Brand des Hauptgebäudes im Jahre 1838 teilweise zugemauert. Dieser Bereich war daher kühl und trocken, konnte aber trotzdem dank der Klappläden an den verbliebenen Fenstern gut gelüftet werden. Hier wurden die geräucherten Würste sowie Schinken und Speck bis zum Verzehr aufbewahrt.
In die Deckenstreben der Räucherkammer waren Metallhaken eingeschlagen – bis heute sind 37 der Haken erhalten. Um auf eine erreichbare Höhe zu kommen, waren an ihnen Eisenstäbe mit Ringen oder Haken befestigt. Zwischen zwei Ringen spannten sich Holzstäbe, an denen die Schinken und Speckseiten aufgereiht wurden. An den Haken hingen stabile Holzspindeln, die unterschiedliche Wurstsorten trugen.
Die Räucherkammer heute
Inzwischen steht die dunkle Raumfassung wie der gesamte Gebäudekomplex unter Denkmalschutz. Ausgestattet mit moderner Technik bietet die einstige Räucherkammer dem Museum als Ausstellungsraum optimale Voraussetzungen für die Präsentation lichtempfindlicher Exponate. Im Rahmen der Sonderausstellung „Verschwörungstheorien – früher und heute“ (2019/20) wurden hier zum Beispiel Exponate zum Thema „Verschwörungstheorien im späten Mittelalter“ gezeigt.
Als Teil der Dauerausstellung werden in der Räucherkammer zahlreiche Exponate zur bewegten Geschichte des Klosters Dalheim präsentiert – zum Beispiel zu seiner Neugründung als Augustiner-Chorherrenstift (1452) und der folgenden barocken Blütezeit, aus der ein originales Schaugemälde und eine Replik sowie räumlich anschließend Fragmente des ehemaligen Hochaltars zu sehen sind. Aber auch Ereignisse wie die Hexenprozesse (in Dalheim 1603) oder der Dreißigjährige Krieg (1618-1648) gingen an Dalheim nicht spurlos vorüber und sind ebenfalls in der Dauerausstellung vertreten.
Auch wenn sich hier jetzt ein hochmoderner Ausstellungsraum befindet: Wenn man auf dem Rundgang in der Räucherkammer kurz innehält und tief einatmet, scheint ihr charakteristischer Geruch noch immer in der Luft zu liegen.
Literatur:
- Annette Hennigs: Die Domäne Dalheim von 1816 bis 1954, in: Säkularisation und Neubeginn. Die Kultur der Klöster in Westfalen, S. 168-175.
- Roland Pieper: „Dalheim. Pfarrort – Kloster – Staatsdomäne“, Münster: Ardey-Verlag, 2003